Wie mobile Roboter Lagerprozesse revolutionieren – und warum gerade der Mittelstand profitiert

Ein Blick in die Zukunft der Intralogistik zeigt: Automatisierung muss nicht komplex, teuer oder ausschließlich etwas für Konzerne sein. Mit skalierbaren Lösungen wie dem neuen RackBot System Elevate von SSI SCHÄFER lassen sich auch kleinere Lager wirtschaftlich automatisieren – und das schneller als gedacht. Im Interview spricht Markus Külken, Vice President Head of Business Unit Robotics, über Chancen, Missverständnisse und was die Lagerautomatisierung von morgen auszeichnet. 

Mit dem RackBot System Elevate bringen Sie eine neue Ware-zur-Person-Komplettlösung auf den Markt. Für wen ist das System besonders geeignet? 

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Das System richtet sich vor allem an Unternehmen, die ihre Kommissionierprozesse auf engem Raum effizient und zukunftssicher gestalten wollen – auch bei dynamischem Wachstum oder schwankender Nachfrage. Der Clou liegt in der Kombination aus standardisierten Komponenten und einem hochintegrierten Robotiksystem, das volle Skalierbarkeit bei gleichzeitig hoher Leistungsdichte bietet. Durch die ClimbBots, die sich horizontal wie vertikal bewegen können, wird der Lagerraum optimal genutzt – auch bei bis zu 12 Meter hohen Regalanlagen. In einer 1.000 m² großen Halle können so bis zu 30.000 Lagerplätze entstehen. 

Was unterscheidet das RackBot System Elevate von anderen Robotiklösungen am Markt?

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Zum einen ist das System auf maximale Flexibilität ausgelegt. Die Roboter bewegen sich „full-roaming“, das heißt frei und unabhängig auf mehreren Ebenen. Das erlaubt eine besonders dichte Lagerung und kurze Zugriffszeiten von unter zwei Minuten. Zum anderen ist die Lösung komplett skalierbar – das bedeutet: ein Einstieg mit wenigen Robotern ist genauso möglich wie ein schrittweiser Ausbau. Das senkt die Investitionshürden enorm. 
 

Wie hoch ist der wirtschaftliche Nutzen für Unternehmen? 

Viele unserer Kunden berichten von einer sehr schnellen Amortisation – oft bereits unter einem Jahr. Das liegt vor allem daran, dass wir bestehende Strukturen nutzen können, ohne alles umbauen zu müssen. Außerdem steigern wir die Effizienz signifikant: mehr Artikel auf kleiner Fläche, kürzere Wege, höhere Verfügbarkeit. Auch ergonomische Vorteile spielen eine Rolle – Mitarbeitende müssen weniger heben oder lange Wege zurücklegen. 

Fördertechnik oder Roboter – ist das eine Entweder-oder-Frage? 

Das ist eine typische Diskussion, die wir natürlich auch intern geführt haben. Wir können aber aus Erfahrung sagen: Fördertechnik und fahrerlose Transportsysteme ergänzen sich hervorragend! Bei Themen wie zum Beispiel Pufferung, höheren Durchsatzleistungen oder der Schnittstelle zwischen manuellem Transport und fahrerlosen Transportsystemen werden wir auch in Zukunft die klassische Fördertechnik brauchen. Wo dagegen früher allein schon aufgrund von Platzmangel oder zu langer Wege keine Förderstrecken infrage kamen, bieten heute fahrerlose Transportsysteme (FTS) eine ideale Lösung. Hier findet gerade ein Umdenken statt – leistungsfähige und flexible Hybridsysteme werden jetzt immer relevanter. 

Können Sie ein Beispiel für ein solches Hybridsystem nennen?

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Da fällt mir die Gebr. Ostendorf Kunststoffe GmbH ein, die sehr kostensensible Spritzgussprodukte fertigt. Hier sollten Prozesse optimiert und die Produktivität erhöht werden. Unser Kunde stellte sich also die Frage: Wie und in welchem Umfang investiere ich in die Automatisierung? Wir haben dann nach dem Baukastenprinzip ein maßgeschneidertes Gesamtkonzept erstellt. Durch die Kombination aus Verschieberegal, fahrerlosem Transportsystem, klassischer Fördertechnik und Software profitiert Ostendorf jetzt von einer teilautomatisierten Lagerlösung auf kleinstem Raum. 

Sie sagten, Platzmangel sei ein Grund für den Einsatz von FTS. Welche gibt es noch? 

Automatisierung bringt natürlich immer ein Plus an Planungssicherheit. Mit den FTS von unserem Partnerunternehmen DS Automotion gewinnt der Kunde gleichzeitig viel Flexibilität und Skalierbarkeitsmöglichkeiten im Vergleich zu konventionellen Automatisierungsansätzen. Das bedeutet, dass kleine Schritte in eine erste Automatisierung risikoreduzierter stattfinden können. Auf Basis der ersten Erfahrungen und des weiteren Wachstums kann das bestehende Konzept dann erweitert oder angepasst werden. Und nicht zuletzt helfen die Systeme, repetitive Tätigkeiten anders zu gestalten, dadurch Mitarbeitende zu entlasten und dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.  

Wie verändert sich die Rolle der Mitarbeitenden durch die Automatisierung?

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Die Mitarbeitenden stehen weiterhin im Zentrum. Fahrerlose Transportsysteme übernehmen vor allem repetitive, ergonomisch belastende Aufgaben. Tatsächlich zeigt sich, dass viele Unternehmen nach der Einführung automatisierter Prozesse langfristig sogar mehr Mitarbeitende einstellen. Denn: Automatisierung kann helfen, die Kosten beim Unternehmenswachstum nicht 1:1 zum Umsatz steigen zu lassen. Außerdem lassen sich Arbeitsplätze durch unsere SSI Mobile Robots viel ergonomischer und damit auch attraktiver gestalten – das wird gerade mit Blick auf den demografischen Wandel der kommenden Jahre immer wichtiger. 

Spielt in diesem Zusammenhang auch die automatische Kommissionierung eine Rolle? 

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Absolut! Aus diesem Grund haben wir unser Portfolio gemeinsam mit erfahrenen Lieferanten auch um mobile Roboter für das Kleinteilehandling erweitert. Diese RackBots kommen zum Beispiel bei unserem zufriedenen Bestandskunden Desigual zum Einsatz, einem internationalen Modeunternehmen aus Spanien. Hier ging es darum, eine effiziente Lösung für das Zusammenstellen von Kollektionen und die Kommissionierung von Bestellungen zu finden. Durch die Integration von 24 RackBots kann der Kunde jetzt 30.000 Einheiten am Tag in zwei Schichten kommissionieren und seine Performance dadurch enorm steigern. 

Für Global Player wie Desigual ist Robotertechnik sicher sinnvoll – für kleine und mittlere SSI SCHÄFER aber doch eine Nummer zu groß, oder? 

Im Gegenteil! Bei SSI SCHÄFER liegt ein großer Fokus auf dem Mittelstand. Hier kennen wir die Schmerzpunkte genau und wissen, welche Herausforderung der Schritt in die Automatisierung bedeutet. Darum beraten wir unsere Kunden ganz individuell und schauen gemeinsam, welche Chancen sich für sie bieten. Es muss ja nicht immer gleich die Vollautomatisierung sein. Für die meisten kleinen und mittleren Unternehmen ist eine Automatisierung von Kernelementen der richtige Weg, um einen positiven Return on Investment (ROI) zu erzielen und auch Herausforderungen, wie Fachkräftemangel oder Lieferperformanceengpässen zu begegnen.  

Kann durch eine schrittweise Automatisierung auch das Risiko einer großen Investition abgefedert werden? 

Ja, und das ist gerade für den Mittelstand entscheidend. Mit unseren skalierbaren und flexiblen Lösungen können unsere Kunden viel feingliedriger wachsen. Statt eines großen und unkalkulierbaren Investments steigen sie klein ein – künftige Erweiterungen sind aber jederzeit möglich und werden oft in einer ersten Planungsphase schon gemeinsam vorgedacht.  

Maßgeschneiderte Lösungen erfordern oft starke Partnerschaften. Wird es durch die Vielzahl an Beteiligten für Kunden nicht zu unübersichtlich? 

Im Gegenteil. Unsere breite technologische Basis und gezielte Partnerschaften – etwa mit DS Automotion oder cloudbasierten WMS-Anbietern – ermöglichen es uns, individuelle und skalierbare Lösungen zu bieten. Dabei behalten wir stets die Übersicht: Als zentraler Ansprechpartner koordinieren wir alle Beteiligten und sorgen dafür, dass alle Komponenten perfekt zusammenspielen. Das schafft Vertrauen, reduziert Komplexität und senkt gerade für kleine und mittlere Unternehmen die Einstiegshürden in die Automatisierung. 

Was ist aus Ihrer Erfahrung der wichtigste Faktor, um Hürden beim Thema Automatisierung abzubauen? 

Auch wenn wir über Roboter sprechen, steht hier immer noch das Persönliche an erster Stelle. Unternehmen, die zum ersten Mal in Automatisierung investieren, sind verständlicherweise oft unsicher. Es ist also wichtig, Vertrauen aufzubauen und eine detaillierte Anforderungsanalyse vorzunehmen. Manchmal weiß der Kunde zu Beginn noch gar nicht, welchen Bedarf er hat. Oder aber er hat schon ganz konkrete Vorstellungen. Wir definieren darum immer gemeinsam die Projektziele, zeigen Möglichkeiten sowie Alternativen auf. Und natürlich schauen wir auch genau auf die gesamtwirtschaftliche Perspektive. Uns geht es nicht darum, ein besonders beeindruckendes Logistikkonzept vorzulegen – sondern dem Kunden die beste Lösung für seine Bedürfnisse zu bieten. 

Ist Robotertechnik also nicht unbedingt immer die richtige Lösung für jedes Unternehmen? 

Nein, nicht unbedingt. Um das herauszufinden, beraten wir bei SSI SCHÄFER immer ganzheitlich. Für manche Kunden sind vielleicht auch unsere klassischen Logistiklösungen besser geeignet. In den meisten Fällen sind aber die zu Beginn erwähnten Hybridsysteme, also Kombinationen aus automatischen und manuellen Komponenten, ideal. 

Und abschließend: Wie sieht die Lagerautomatisierung der Zukunft aus? 

Das ist natürlich immer ein Blick in die Glaskugel. Ich bin aber überzeugt, dass sich viele Effekte, die wir gerade wahrnehmen, in den nächsten Jahren noch verstärken werden: Krisen werden in kurzfristigeren Zyklen auftreten und auch der Fachkräftemangel wird Thema bleiben. Darum ist es uns so wichtig, schon jetzt an noch schnelleren und einfacheren Integrationsmöglichkeiten von Robotertechnologien zu arbeiten. Auch künstliche Intelligenz wird eine entscheidende Rolle spielen – wir nutzen sie in vielen unserer Systeme bereits jetzt schon und werden da bald ganz neue Anwendungen sehen können. Ich denke, in zehn Jahren wird die Logistik noch mehr als heute hybrid gedacht werden. Als Zusammenspiel von Mensch, Maschine und KI. 

Über den Interviewpartner: 

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Markus Külken ist Vice President Product Line Material Flow bei SSI SCHÄFER. In seiner Rolle verantwortet er unter anderem die Entwicklung neuer Systemlösungen und begleitet mittelständische wie große Unternehmen bei der Umsetzung automatisierter Lagerkonzepte. Mit seiner langjährigen Branchenerfahrung kennt er sowohl die Herausforderungen beim Einstieg in die Automatisierung als auch die Chancen, die sich durch moderne, skalierbare Technologien wie das RackBot System Elevate ergeben. 

Ansprechpartner

Annika Nolte Project Manager CR & PR Telefon: +49 170 9839697 Email: annika.nolte@ssi-schaefer.com